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Chinesisch Essen 5

In der Nähe vom Jing’an Tempel gibt es ein großes und gut besuchtes Chinarestaurant, das kann ja mal nicht verkehrt sein. Gesagt – getan – und schon beim Hinsetzen wird uns leicht mulmig. Die Kellnerin legt uns nämlich ein Clipboard mit einer chinesischen Multiple-Choice-Ankreuzliste vor. Zum Glück reicht sie einen großen laminierten Wisch mit englischen Entsprechungen nach. Nochmal Glück gehabt. Einem Kollegen zu Folge hat sich Shanghai auf dem Weg zu Expo und internationaler Businessmetropole rasant entwickelt, vor 3 Jahren war Ankreuzen überall üblich und es gab die Draufzeige-Karten für Westler nirgendwo. Also ran an den Speck…

Nach ein paar Minuten haben wir unter den ca. 100 Dingen die paar identifiziert, die genießbar klingen, sprich, die keine Innereien und Entenzungen beinhalten. Fried Noodles with Beef, Shrimp Dumplings, Fried Fish und Catfish in “Super Spocy” Soße. Die Gerichte trudeln auch prompt ein, schmecken lecker, nur der Catfish lässt auf sich warten. Einer herbeigerufenen Kellnerin zeige ich den Durchschlag unserer Ankreuzbestellung und weise sie stumm auf das fehlende Gericht hin. Sie notiert etwas auf unserer Bestellung, und holt eine weitere Kellnerin. Dann scheint die Sache geklärt zu sein. Bis ein weiterer Kellner hinzu kommt, und uns scheinbar mitteilt, dass der Catfish aus sei. Schade, die Spocy-Soße hätte mich schon interessiert.

Am Abend des selben Tages geht es Hot Pot essen, das Gruppenfondue, das wir bereits im Kollegenkreis des öfteren genossen haben. Meine unzusammenhängenden Brocken Chinesisch reichen inzwischen, um einen Restaurantbesuch zu meistern. Wenn auch auf dem linguistischen Niveau eines Kleinkindes. Aber es ist ein schönes Gefühl, wenn die wie magische Zauberformeln ausgesprochenen Silben die gewünschte Wirkung haben.

san rén – drei Personen

Simsalabim, wir werden an einen passenden Tisch geleitet, und man gibt uns die Karte. Keine Bilder. Alles auf Chinesisch.

Ankreuzkarte (c) Andreas Bätzel

bù dǒng – nix verstehen

Die Kellnerin reagiert prompt und freundlich und holt eine Kollegin, die zum Glück die Grundbegriffe der Speisekarte kennt: beef, broccoli, chicken, dumplings.

cǐ gè – das da
gesprochen: zchigge

liǎng píng píjiǔ – zwei Flaschen Bier

Falls die Kellnerin danach etwas sagt, so handelt es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um die Frage, ob man das Bier kalt oder im Aggregatszustand der lauwarmen Plörre serviert bekommen möchte. Die richtige Antwort lautet hier also:

bing de – eiskalt
(eines dieser Wörter, das man vom Hörensagen kennt und seit Wochen benutzt, ohne zu wissen wie man es genau ausspricht. Aber es hat die gewünschte Wirkung. Nur einmal hatte eine Kellnerin leicht geschmunzelt. Entweder weil es falsch betont was perverses bedeutet oder weil es einfach ulkig ist, dass wir kein Chinesisch sprechen konnten, aber das Wort wussten)

Fehlen nur noch die zwei wichtigsten Restaurantfloskeln:

fú wù yuán! – Kellner(-in)!
gesprochen: fu-u-üän

mǎidan! – Die Rechnung bitte!

(Fotos: Andreas Bätzel)

Rückkehr nach Old Town

Shanghai-Panorama: Baustelle

Obwohl mich der touristische Stadtteil “Old Town” mit seinen aufdringlichen Fake-Rolex-Verkäufern bereits abgeschreckt hat, ging es zwischen den Jahren nocheinmal auf Erkundungstour in diesem Gebiet – Besuch aus der Heimat sei Dank. Und siehe da, es gibt tatsächlich Kleinode zu finden!

Konfuzius

Der Konfuziustempel zum Beispiel. Eintritt 20 Yuan plus Spende für den informativen Tourguide (“want to give me a tip? I’m a stundent…”). Aber was soll’s, jetzt wissen wir wenigstens, dass Konfuzius ein schlauer Lehrmeister war und mit welchem Fuß man die Türschwellen überschreitet, um Böses abzuwenden.

book marketAn der Nordseite des Tempels entdecken wir durch Zufall einen Büchermarkt, der in keinem Reiseführer erwähnt ist. Es ist ein skuriles Erlebnis: In gut zwei Dutzend garagenähnlichen Läden stapeln sich brandneue Bücher und eingeschweißte Zeitschriften (die asiatischen Ausgaben von Cosmo usw…) und überall wird kistenweise neue Ware angeliefert und entpackt. Wohin das alles verkauft wird weiß ich nicht, denn trotz geschäftigem Treiben sind wir fast die einzigen Kunden. Und die einzigen Westler sowieso.

insect marketWeiter geht’s durch Gassen die ebenfalls von Westlern wohl selten betreten werden in Richtung Old Town. Auf dem Antikmarkt dürfen wir uns von Wegelagerern die Schuhe putzen lassen und bestaunen den “antiken” Tand, der hier überall angeboten wird. Gleich nebenan findet sich der Haustier- und Insektenmarkt, der wiederum ein Erlebnis ist. In engen, überdachten Gassen sitzen Händler mit allerlei Käfigen und Dosen, in denen Hamster, Katzen, Sittiche und Riesenheuschrecken sitzen.

Yuyuan GardenDirekt im Zentrum des touristischen Old Towns, zwischen Tee- und Krimskrams-Läden und Hundertschaften von Rolexverkäufern befinden sich die Yu Yuan-Gärten. Sie sind der Touristenmagnet schlechthin, aber dank eher kühlerem Wetter und der winterlichen Jahreszeit ist er nicht überlaufen. Die verwinkelten Steingärten mit Brücken und Pagoden sehen so aus, wie man China sonst nur von den kitschigen Plastikunterlagen im Chinarestaurant kennt.

Zu guter Letzt decken wir uns mit Tee, Teetassen, Essstäbchen und sonstigen Mitbringseln ein und machen uns auf den Heimweg. Ich revidiere also meine ursprüngliche Abneigung gegenüber Old Town. Die nervigen Verkäufer muss man ignorieren lernen, und ein bisschen abseits der Lonely-Planet-Empfehlungen durch die Gassen wandern. Es lohnt sich.

Shanghai-Panorama: Konfuzius-Tempel

Silvester

Sekt

Nach Weihnachten nun also auch Silvester in ungewohnter Umgebung. Wird es Feuerwerk geben oder nicht? Die Überraschung ist groß, als um Mitternacht tatsächlich einiges an Raketen abgefeuert wird. Aus dem 20. Stock eine richtig schöne Aussicht, auch wenn das meiste von anderen Hochhäusern verdeckt wird. Nach einer Minute ist es auch schon wieder vorbei.

Eine Flasche Sekt ließ sich auch organisieren, ganz unten im Regal und halb verstaubt… für 100 Yuan. Welche Marke wohl?

Lupu Bridge

Da sich am Samstag das Pendel von Smog aber warm Richtung klar aber arschkalt bewegt hatte, nutzen wir Gelegenheit, einen guten Aussichtspunkt in Shanghai zu besuchen: Die Lupu-Bridge, nach der Nanpu-Brücke ein weiteres Stahlmonster über den Huangpu River.  Eigentlich hielt ich die Brücke für die weltgrößte Stahlbogenbrücke, doch Wikipedia klärt auf: Seit April dieses Jahres wurde irgendwo in China dieser Rekord bereits gebrochen. Macht nichts, die Aussicht lohnt sich auf jeden Fall.

Shanghai-Panorama: Lupu-Bridge

Richtung Norden bietet sich ein beeindruckender Blick auf das Hochhäusermeer von Shanghai, unter meinen Füßen wird unter Hochdruck eine Parkanlage und Besucherfähre für die Expo gebaut und am anderen Flußufer stehen die Pavillions  für die nächstjährige Expo. Über allen thront der chinesische Pavillion, ein gewaltiges Bauwerk, das ich mir beim Anblick von Fotos vorher nie so groß vorgestellt hatte. Aber das selbstbewusste China lässt sich eben nicht mehr lumpen, und stellt schonmal architektonisch klar, wer das 21. Jahrhundert anführen soll. (Oder zeigt zumindest, wo sich Architekten dank Platz und kurzer Genehmigungsverfahren noch so richtig austoben können).

chinesischer Expo-Pavillion

Weihnachtsdinner

Heiligabend in Shanghai, das ist schon ein seltsames Ereignis. Seit Wochen tragen hier alle Verkäuferinnen Nikolausmützen, große Weihnachtsdeko schmückt die Kaufhäuser, Rudolph the Red Nose Reindeer und andere eher amerikanische Weihnachtslieder dudeln in den Geschäften (die deutsche Schni-Schna-Schnappi-Version des Liedes hat mich hier auch einmal eiskalt überrascht)… Insgesamt feiert man in Shanghai Weihnachten in etwa so wie wir Halloween oder Valentinstag feiern, als Spaß-Konsum-Fest. Wieso auch nicht, es ist wenigstens ehrlich 🙂

Vargas Grill X-mas dinnerAls Weihnachtsdinner haben wir uns mit den Dutzend Kollegen, die nicht auf Heimaturlaub sind, einen Tisch im “Vargas Grill” reserviert. Die Location ist schick mit dunklem Holz und kitschig mit amerikanischen Pin-Up-Gemälden. Das Christmas-Menü kostet pro Person 350 Yuan und hat es in sich: Kürbissuppe, Spanferkel, Turkey, Roulade mit Pesto, Mashed Potatoes, diverse Beilagen, zum Abschluss Lebkuchen und Kürbis-Baileys- und Schokotörtchen… und Glühwein sowie Rotwein bis zum abwinken. Normalerweise zahlt man in solchen Restaurants in Shanghai diesen Preis schon für eine einzige Flasche Importwein. Egal, was ich sonst von dekadenten Expat-Locations denke, der Abend war großartig. Zumindest bis zu dem Punkt, an dem “Last Christmas” durch die Lautsprecher dröhnt. Ich hätte gehofft, dieses eine Jahr um den nervigsten Weihnachtssong aller Zeiten herumzukommen.

Mehr bei Michael

Shopping

l_1600_1200_93329E88-9BC9-44E0-8F56-A60E8075E3B2.jpegIn China gibt es quasi alles zu kaufen, und für Westler auch alles zu bezahlen. Umso erstaunter war ich, als sich der Kauf bestimmter Dinge des täglichen Lebens zu einer Odyssee ausweitete. Punkt eins, das Deo. Carrefour, ein dem Kaufland ähnlicher Riesensupermarkt, führt so ziemlich alles. Inklusive Unterhaltungselektronik und Fahrrädern. In der Drogerie-Ecke gibt es eine überwältigende Bandbreite von Haarshampoos, Rasiergels, Haarshampoos, Hauptcremes, Parfum, Zahnpasta, Haarshampoos, Eau-de-Toilette und Haarshampoos.

Kein. Verdammtes. Deo. Nichts.

Aber das Kaufhaus ist ja groß, also mache ich mich auf den Weg durch die anderen Geschäfte der siebenstöckigen Mall und lasse meine Blicke über die diversen Stände für “Fragrances” von Dior und Co schweifen, die von eifrigem Verkaufspersonal bevölkert werden. Nein, ich schaue nur. Bu Jao. Ach meinetwegen, riechen tu ich mal. Hm, tja danke, nicht mein Geschmack. Bu Jao. Endlich entdecke ich in einer Glasvitrine Importdeos von Adidas. Wie ein Schatz werden sie von der Verkäuferin gehütet. Aber endlich ist auch dieser Einkauf erledigt.

Nächster Punkt auf der Todo-Liste: Eine warme Daunendecke. Hier ist die Odyssee zu Ende, bevor sie überhaupt anfängt. Eine eifrige Verkäuferin hält mir sofort alle möglichen Packungen mit Bettbezügen unter die Nase sobald ich nur in die Nähe der Bettenabteilung gelange. Das wäre doch genau das was ich bräuchte, meinte sie. Super Farbe, und auch noch mit 2 Kopfkissenbezügen, sagt sie. Bzw denke ich, dass sie sagt. Denn natürlich drischt nur ein chinesischer Wasserfall auf mich ein. Aber da ich eine Decke will, versuche ich mich davonzustehlen. 200 Yuan aufwärts kosten hier Bettdecken. Unverschämt denke ich. Man gewöhnt sich eben daran, dass man dreistellige Beträge nur äußerst selten ausgeben muss. Aber natürlich nimmt mir auch hier die freundliche Verkäuferin die Entscheidung ab. Sie zieht mich an meiner imaginären Hand ein Regal weiter zu einer Decke für 199. Reduziert sei das tolle Produkt, und hier, fühlen Sie mal wie weich die ist, da können Sie doch nicht nein sagen! Da, ich hole ihnen auch noch einen größeren Einkaufswagen, vielen Dank für Ihren Einkauf, beehren Sie uns doch bald wieder! (denke ich wiederum dass sie gesagt hat).

Weiter geht der Einkaufsbummel in diesem Ameisenhaufen aus Menschen. An einem Zentnerkübel Szechuanpfeffer vorbei fällt mein Blick auf Ananas, die bereits fertig geschält und in Korkenzieherform geschnitzt verkauft werden. Ein Pfund Ingwer für 70 Cent, genau das richtige für die sich anbahnende Erkältung. Das Obst und Gemüse wird hier von freundlichem aber gelangweiltem Personal für mich gewogen und eingetütet. Daneben gibt es… Gänsehälse!… nein, die Fleischtheke schau ich mir dann doch nicht näher an.

Weiter geht es zu einem Imbiss beim New York Hotdog, wo ein Verkäufer mit Nikolausmütze uns eine Lostrommel unter die Nase hält und in perfektem Englisch sagt, wir mögen doch Weihnachtswünsche auf Post-its schreiben und an die Wand pappen. Als Belohnung dürfen wir ein Los ziehen, ein Dritter Platz, und ich bekomme einen kleinen Haibao-Anhänger. Endlich muss ich mir dieses Pflichtsouvenir nicht mehr selbst kaufen. Woher wir kämen? Wahnsinn, ich kann meine Sprachfetzen anwenden, die ich vor ein paar Wochen gelernt habe. De Guo! Germany. Der Nikolaus blüht auf. Ja, das Fußballteam mag er! Und München? Berühmt für Bier, nicht wahr? Und ein noch besseres Fußballteam! Na klar sage ich, und möchte wissen ob er schonmal in Deutschland war. Nee, er wüsste aber halt eine Menge. Ich lobe im Gegenzug sein Shanghai, ganz großartig wäre es. Und am liebsten würde ich zur Expo wiederkommen. Endlich ist mein Szechuan-Chilli-Dog fertig, einen Tee mit Milch als Dankeschön gibt es auch noch dazu. Take away und ab durch die Mitte.

Da wünscht man sich doch manchmal die Servicewüste Deutschland zurück. Kein Wunder dass die Chinesen soviel Entspannungsgymnastik erfunden haben. Der Herzinfarkt wäre sonst vorprogrammiert. Im Taxi kann ich durchatmen. Ich setze mich vorne hin, schnalle mich nicht an, und lasse mich durch den Abendverkehr schippern. Wieso hat mich der Verkehr Anfangs eigentlich so gestresst? Jetzt, nach zwei Monaten, vertraue ich der Intuition des Fahrers, und kann mir sogar denken, welche Lücke er im Gegenverkehr nutzen wird, um links abzubiegen.

Alles easy.

Wohnung

Nach 2 Monaten im Hotel habe ich nun eine Wohnung von anderen Freelancern übernommen. Nun wohne ich also im 25. Stock chinesischer Etagenrechnung. Eigentlich ist es der 20., denn 1 ist das Erdgeschoss und es fehlen wenig überraschend die Unglückszahlen 4, 13, 14 und 24.